Klassenfahrt nach Garmisch-Partenkirchen
Wir strotzten nur so vor Kraft, keine Wanderung war uns zu lang, kein Berg zu hoch. Wenn auf den Hinweisschildern stand: „Aufstieg zum Gipfel 3 Stunden – Abstieg 2,5 Stunden“, dann fragten wir Herrn Priewe: "Wenn wir es rauf und runter in 4 Stunden schaffen, können wir uns dann in den Berggasthof setzen? Wir tragen uns oben auch ins Gipfelbuch ein." Nach kurzem Überlegen sagte er: "Ist o.k., machen sie das. Aber sie warten im Gasthof, bis der Rest auch unten eintrifft.“ Auf halbem Weg nach unten ins Tal trafen wir dann unsere beiden Lehrer mit dem etwas langsameren Teil der Klasse. Natürlich warteten wir in der Sonne auf der Terrasse des Gasthofs geduldig auf den Rest der Truppe.
Eines Tages stand einmal wieder eine längere Wanderung auf dem Programm. Wir waren alle für ein solches Unternehmen gut ausgerüstet. Alle? Nein, nicht alle. Dr. Voss trat auch diese Tour in seinem gewohnten Outfit an: heller Sommeranzug und dazu leichte Sandalen, in der Hand eine Aktentasche, in der sich die die obligatorische Marschverpflegung befand - eine Apfelsine und eine Tüte Ültjeskerne. Nach etwa zwei Stunden überraschte uns ein heftiger Regen. Es goss wie aus Eimern. Wir waren in kürzester Zeit pitschenass und auf den Wegen bildeten sich große Pfützen. Eine war so groß, dass man sie nicht mehr trockenen Fußes durchqueren konnte. Auch mit unsern Lehrern hatte der Regen kein Erbarmen. Herr Priewe hatte wie wir vernünftiges Regenzeug übergezogen, lediglich „Tüte“ Voss schritt tapfer in seinem Sommeroutfit durch die unwirtliche Natur. Wie sollte er nur unbeschadet diese Pfütze überwinden? Nach einer Weile hatten wir die Lösung. Wir bauten aus Baumstämmen und Unterholz eine „Hilfs-Brücke“ über diesen „See“. Auch wenn es Herrn Voss etwas bedenklich vorkam, so wagte er doch den ersten Schritt auf unser Pionierwerk. Wir redeten ihm gut zu, ja, feuerten ihn gar an. Das machte ihm Mut und er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Als er bereits die Mitte des Steges erreicht hatte, befielen ihnen Zweifel, ob er das Ende desselben wohl überhaupt erreichen würde. Er schwankte leicht, stieg vom Baumstamm hinunter in die Pfütze, drehte sich einmal um die eigene Achse und schritt in ihr dann mutig ans rettende Ufer- seine Aktentasche nebst wertvollem Inhalt hielt er während des gewagten Manövers fest in der Hand. Dort war er unseres Beifalls sicher.
Nach einer Weile kamen wir so etwas wie einer Höhle vorbei. Die schickte der Himmel. Geschützt vor dem Regen nahm ein großer Teil von uns darin Platz. Wir zündeten ein kleines Feuer an und entledigten uns unserer Oberbekleidung, um sie am Feuer wenigstens etwas zu trocknen. Wir forderten auch Herrn Voss auf, es uns gleich zu tun - wir waren übrigens eine reine Jungenklasse. Er schaute uns entgeistert an und sagte mit fester Stimme : "Ein Vorgesetzter entblößt seinen Oberkörper nicht in Gegenwart seiner Untertanen.“
Wie die Wanderung dann weitergegangen ist, daran kann ich mich nicht mehr so recht erinnern.