Russische Tabuthemen mit österreichischem Flair

Am Freitag, den 20.11, fand für rund 30 Oberstufen-schülerInnen, die an der KKS im zweiten, dritten oder fünften Jahr Russisch lernen, eine zweisprachige Lesung statt. Die gebürtige Moskauerin Daria Wilke trug das erste Kapitel ihres Jugendbuchs „Die Narrenkappe" vor. Darin geht es um den 14-jährigen Grischa, der in einem Puppentheater aufwächst und dort vielen Problemen begegnet. So muss z.B. der Schauspieler Sam, eine für Grischa wichtige Bezugsperson, aufgrund seiner Homosexualität Russland verlassen. Auch Daria Wilke ist in einem Puppentheater in Moskau aufgewachsen. Sie selbst identifiziert sich mit den beiden Kindern aus dem Buch, dem ruhigen und ängstlichen Grischa und der selbstbewussten und frechen Saschok mit der für Mädchennamen ungewöhnlichen maskulinen Endung. Mit Homosexualität, so Daria Wilke, habe sie kein Problem. In ihrem Puppentheater sei es etwas ganz Normales gewesen.

 

In fließendem Österreichisch erzählt sie von den Schwierigkeiten, die sich allerdings aufgrund dieser Thematik bei der Veröffentlichung ihres Buches in Russland ergeben: Von der "Selbstzensur" in den Köpfen vieler Russen und einem 2013 verabschiedeten Gesetz, das vorschreibt, welche Inhalte in Kinder- und Jugendbüchern verboten und welche erlaubt sind, und die zweite Auflage bisher verhindert. Die in Russland noch vor diesem Gesetz erschienene Erstauflage war nach nur 3 Monaten komplett vergriffen. Auch berichtet sie von Hassattacken gegen Lena Klimova, die Gründerin einer Online-Anlaufstelle für homosexuelle Jugendliche in Russland.

 

 

Der Wahlösterreicherin stecken eigene Erlebnisse mit dem Thema Gewalt in ihrer Heimat immer noch in den Knochen. Bei den Sprengstoffanschlägen auf Moskauer Wohnhäuser 1999/2000 in Moskau, die sich im Rahmen des Tschetschenienkrieges ergaben, gab es über 200 Tote. Daria Wilke, damals 23, arbeitete als Journalistin und musste darüber berichten. In der Folge bekam sie eine posttraumatische Belastungsstörung und wanderte mit ihrer Mutter zusammen nach Österreich aus.

Die sympathische Jugendbuchautorin, die sich selbst als "exzentrisch" beschreibt, hat schon den Titel ihres nächsten Buches verraten: "Kastratensänger". Die RussischschülerInnen und -lehrerInnen der KKS würden sich derweil über das Erscheinen einer Schülerausgabe zur "Narrenkappe"- auf Russisch "шутовско́й колпа́к " - mit Vokabelangaben freuen...

Tristan Vogel, Maria Röttger (beide Kl. 10n), Matthis Willmann (Kl. 10 g), Iris Engel

 

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