Der Blick in die Geschichte zeigt, was möglich war - und ist.
So lenkte Hanisch den Blick weg von der Person Hitlers eher auf die Dinge, die unterlassen wurden; Entscheidungen, bei denen Verantwortliche versagt haben.
Den Versailler Vertrag, von kurzsichtigem, alliiertem Rachegedanken bestimmt und in der Umsetzung bei den Volksabstimmungen über Gebietsabtretungen völkerrechtswidrig umgesetzt, wertete Hanisch eher als psychologischen denn als materiellen Aspekt. Die Massenarbeitslosigkeit der Weltwirtschaftskrise, das damit verbundene Elend, das man nicht bereit war zu bekämpfen, fielen da schon stärker ins Gewicht. Eine Parlamentskoalition ohne Gestaltungswillen, der Glaube der konservativ-nationalen alten Eliten, Hitler instrumentalisieren zu können, ja schon das versagende Zögern der Sozialdemokraten und Liberalen im Jahre 1918, der politischen Revolution auch eine gesellschaftliche folgen zu lassen, und schließlich die Zustimmung des Zentrums und der Liberalen zum „Ermächtigungsgesetz“ 1933 - waren, so Hanisch, eklatante Fehler, die Hitler ermöglichten.
Und eines könne man Hitler selbst sicher nicht vorwerfen, nämlich die Menschen in seinen Absichten getäuscht zu haben. Schon 1923/24 stand alles schwarz auf weiß in „Mein Kampf“ und wurde wieder und wieder auf den Marktplätzen verkündet. Die Dämonisierung Hitlers als genialen Verführer, der die Deutschen ohne ihr Wissen manipuliert habe, sei eine Schutzreaktion der Täter, aus psychologischer Sicht das, was man ein „aktives Vergessen“ nennt. Den sozialpsychologischen Aspekt stellte Hanisch immer wieder als eine wichtige Ursache für Hitlers Erfolg heraus.
„Das ist einer von uns, ein kleiner Mann. Der hat es - stellvertretend für mirch - geschafft. Der weiß, wie es uns geht. Der haut mal auf den Tisch und räumt mit dem alten System auf.“ Wenn Hanisch von diesem Phänomen einer latenten Unzufrieden- und Unsicherheit der Mittelschicht spricht, einem „kulturellen Unbehagen“, wie Freud es genannt hat, dann schwingen die aktuellen Bezüge unüberhörbar mit. Hierbei - und bei Hanischs plastischen Schilderungen, wie Mitschüler verschwinden, wie man sich auf Schnäppchenjagd an der Versteigerung des Wohnungsinventars der jüdischen Nachbarn beteiligt, wie man Mitmenschen ein Schicksal zuteilwerden lässt, das man ihnen durch die verbale Klassifizierung als „Ungeziefer“ ganz offensichtlich zugesprochen hat, werden die Mienen der Zuhörer nachdenklich.
„Dass ihr im reichen Deutschland geboren seid, das ist Zufall“, spricht Hanisch die Schülerinnen und Schüler an. „Eure Altersgenossen in Griechenland haben das Problem einer vierzigprozentigen Jugendarbeitslosigkeit.“ In Portugal und Spanien sei die Lage nicht viel besser. Dass es unter diesen Umständen nicht stärker im demokratischen Gebälk knackt, wundert Hanisch und zeigt gleichzeitig, dass wir (noch) keine Weimarer Verhältnisse haben. Das macht Mut.