Gymnasium in Itzehoe • Europaschule • Kulturschule
Kaiser-Karl-Schule
• Gymnasium in Itzehoe • Europaschule • Kulturschule
"Unter Palmen aus Stahl": Eine Begegnung mit Dominik Bloh
Als er 16 ist, schließt seine Mutter, alleinerziehend und psychisch krank, zum letzten Mal die Wohnungstür hinter ihm, bevor sie die Vormundschaft an die Behörden der Stadt Hamburg abgibt. Dominik Bloh verliert den Halt. Ab da sind die Straßen der Hansestadt sein zu Hause. „Wisst ihr, was man mit einer Zeitung alles machen kann?“ Kreuzworträtsel halten wach im Fastfoodrestaurant, damit die Security einen nicht rauswirft. Unter dem durchnässten Pulli spendet sie ein bisschen Wärme. In der Dunkelheit der Parks erinnert die ausgebreitete Zeitung, darauf der aufgesparte Burger, an die gemusterte Tischdecke der Großeltern – daran, als die Welt noch in Ordnung war.
„Ich wollte auch all die Dinge, die die andere haben.“ Handy, Spielekonsole. Wieso habe der da eine Wohnung geerbt und er nur Löcher in den Schuhen? Und das, was am weitesten weg, am unerreichbarsten schien, schien am begehrenswertesten. „Dabei habe ich mich und andere belogen. Es kommt auf ganz andere Dinge im Leben an. Wenn man nicht in sich hineinhört, kann man nicht ehrlich zu sich und anderen sein.“
„Ich hatte immer einen Stift und einen Schreibblock bei mir.“ Aus der Obdachlosigkeit heraus macht Bloh sein Abitur. Bekannte unterstützen ihn mit einer Fake-Adresse. „Solange ihr da seid, geht es weiter. Es gibt immer eine Chance.“ Mittlerweile schreibt er Kolumnen für die Zeitung, mit der er sich auf der Straße den Hintern abgewischt hat. Als er sich 2015 auf dem Hamburger Hbf für die dort zu Dutzenden liegenden Flüchtlingen engagiert, wird die Stiftung eines ehemaligen Fußballspielers auf ihn aufmerksam und bezahlt ein Jahr lang eine Wohnung für ihn. „Tue Gutes und dir wird Gutes widerfahren.“ Dies habe sich bei ihm sprichwörtlich bewahrheitet. "Alles, was ihr in eurer Umgebung tut, beeinflusst etwas.“ Gobanyo heißt sein aktuelles, erfolgreiches Crowdfounding-Projekt, das mobile Waschbusse organisiert. „Auf der Straße bist du ständig krank.“ Eine aufgekratzte Stelle wird dort zur Lebensgefahr.
Seine Messages sind einfach und existentiell zugleich. Sie sprechen die Jugendlichen an, ausgehend von den Bedürfnissen Pubertierender, authentisch – nicht von oben herab, sondern erfahren über den Umweg von ganz Unten. 90 Minuten hören die Mädchen und Jungen gebannt zu – und verarbeiten. Gebannt – uns fällt kein besseres Adjektiv ein, das Aufmerksamkeit auf der einen Seite und andererseits Verunsicherung darüber, wie das hier Erfahrene nun in einem selbst nachklingt, zum Ausdruck bringt. Sie halten auch konzentriert die Pausen aus, die Bloh zwischendurch macht, zum Beispiel, um einen Schluck Wasser zu trinken. Dies sind irgendwie keine Pausen eines performenden Vorlesers, sondern eines Menschen, der hier und jetzt intensiv seine Umgebung wahrnimmt. Die Straße wird man nicht mehr los.
Wärme käme ihm hier in der Aula entgegen, sagt Bloh im Anschluss den organisierenden Lehrkräften. „Das war ein schöner Vormittag.“ Dass an der KKS der Funke übergesprungen ist, erfreut auch Elke Voß von der Stadtbücherei, die uns die Lesung im Rahmen der Kinder- und Jugendbuchwochen vermittelt hat. Danke! Nun ist das mit dem überspringenden Funken ja keine Einbahnstraße. Offen und interessiert stellen die Jugendlichen Fragen. Ob er auch mit harten Drogen in Berührung gekommen sei, will ein Schüler wissen. „Ich habe täglich gesehen, wie das endet.“ Das habe ihn davor bewahrt. „Die beste Droge für 15jährige, ist sich zu verlieben. Das ist das Beste überhaupt. Jemandem zu sagen, dass man ihn cool findet, erfordert mehr Mut, als zu irgendwelchen Drogen zu greifen."