Europa − das unbekannte Wesen

Die mehr als 100 Schüler gingen gut vorbereitet in die Veranstaltung. In den vergangenen Wochen hatten sie sich im Unterricht intensiv mit der Europäischen Union beschäftigt, unter anderem gab es eine Themenwoche EU. „Dabei wurden Plakate zu Themen wie Außenpolitik, Wirtschaft und Geschichte erstellt“, berichtete WiPo-Lehrer Rene Wallich. Zudem wurde eine Umfrage gemacht, an der alle 115 Schüler des 13. Jahrgangs teilnahmen. Ein Ergebnis: Die Mehrheit glaubt, dass ihre Stimme bei der Europawahl kaum Gewicht hat. „Stimmt nicht“, sagte Böge. Und erläuterte: „Über die Wahl des Parlaments hat man unter anderem Einfluss auf die Zusammensetzung der EU-Kommission.“ Zudem entscheide der Wähler über die wirtschaftliche und politische Richtung, in die Europa steuere. „Was in Brüssel entschieden wird, hat Einfluss auf das tägliche Leben“, so Böge.

Deutlich wurde, dass vielen Schülern das „Gebilde EU“ und die Funktionsweise der Union zu kompliziert sind. Böge nahm sich deswegen Zeit und erläuterte das Entscheidungsverfahren, mit dem Verordnungen und Richtlinien auf den Weg gebracht werden. Er räumte ein, dass es sich um einen „langfristigen Prozess“ handele, doch dabei gebe es viele Möglichkeiten, Dinge einzubringen. Der Politiker ermutigte die Schüler: „Schicken Sie mir eine Mail mit ihrem Anliegen, Sie erhalten innerhalb von 14 Tagen eine Antwort.“

Besonders am Herzen lag den Schülern das Thema Asylpolitik. Zu der Aufnahme von Flüchtlingen sagte Böge: „Wir müssen in der EU die Kapazitäten zur Verfügung stellen, damit alle menschenwürdig untergebracht werden können.“ Wichtig sei dabei allerdings, auf eine faire Verteilung unter den Mitgliedsstaaten zu achten. Um die Menschen besser zu integrieren, sei es zudem erforderlich, Asylverfahren in maximal sechs Monaten abzuarbeiten, Kinder nach spätestens drei Monaten schulisch zu begleiten und Erwachsenen schneller das Arbeiten zu erlauben.

Auch die Ukraine-Krise und insbesondere die Berichterstattung darüber wurden thematisiert. „Wem kann man trauen?“, wollte ein Schüler wissen. „Es ist wichtig, mehrere Quellen zu nutzen und sich keine Vorurteile zu bilden“, sagte Böge. Deutlich wurde der Parlamentarier beim Blick auf das russische Vorgehen. Damit sei zum einen gegen die Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen verstoßen worden und zum anderen das Memorandum über die territoriale Integrität der Ukraine gebrochen worden.

Auf die Frage, wie die EU in 20 Jahren aussehen werde, äußerte sich Böge optimistisch. „Wir werden es schaffen, dass Europa international eine noch stärkere Rolle spielen kann.“ Ziel müsse es sein, die Stabilität der vergangenen 40 Jahre zu erhalten.

WiPo-Lehrer Wallich zeigte sich mit dem Engagement der Schüler sehr zufrieden. „Jeder kann mit der EU etwas verbinden, aber für viele ist sie dennoch weit weg.“ Böges Besuch habe dazu beigetragen, das zu ändern. Und Schülerin Julia Sötje ergänzte: „Viele kennen die Abgeordneten gar nicht. Jetzt hat man auch mal ein Gesicht vor Augen.“

Norddeutschen Rundschau vom 7.11.14

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